Samstag, 29. November 2008

Partizipation ist ein Abenteuer!

Ein Gespräch mit Wolfgang Gerlich im plansinn-Büro – über einen Beteiligungsprozess, der entsteht - geführt von Stephan Pabst.

Wolfgang Gerlich vom Büro Plansinn moderiert am 10. Dezember einen Beteiligungs-Workshop, zu dem alle Studierenden der BOKU eingeladen sind. Ziel ist es die entstehenden Vorstellungen zum Haus der Studierenden in wenigen Leitsätzen zu formulieren, damit diese in die Planung einfließen können.

Ideen gibt es schon viele – was muss für deren Realisierung getan werden?



W: „Das Wichtigste ist es, dass jene, die letztlich die Entscheidungen zu verantworten haben, einen Gestaltungsspielraum für Mitwirkung öffnen. Das zweite ist, dass die Art und Intensität der Mitwirkung möglichst früh geklärt wird. Ob es darum geht nur Ideen zu konsultieren und die Entscheidung bei der Unileitung liegt, oder ein Mitwirken, ein gemeinsames Aushandeln eines Konzepts oder ob es ein Mitentscheiden gibt, was so aussehen kann dass bei einem Wettbewerb Delegierte der Studierenden in einer Jury vertreten sind. Meiner Erfahrung nach ist es aus Beteiligungsethischer Sicht ist das Allerwichtigste eine Klarheit der Grenzen der Beteiligung zu schaffen."

Die plansinn-MitarbeiterInnen

S: Seit Anfang November herrscht reges Treiben um zwei Pinwände im Vorraum der Universitätsbibliothek der BOKU. Studierende lesen auf kleinen bunten Zetteln, lachen über das Gelesene oder fügen zustimmend Zählstriche dazu. Manche verfassen ihre eigenen Wünsche und Ideen, aber auch Kritik an der bestehenden Situation ist zu lesen.


Die Frage die offen bleibt: Was bewirken all diese Wünsche?


W: „Die Schwierigkeit bei Beteiligung ist es dass es verschiedene Vorstellungen in den Köpfen der verschiedenen involvierten Gruppen gibt. Es ist wichtig dass Klarheit herrscht in welcher Weise die eingebrachten Ideen wirksam werden können und oft führt es zu Frustration, auf welcher Seite auch immer, wenn das was dann real passiert nicht mit dem übereinstimmt was die ursprünglichen Vorstellungen waren. Hier ist der Workshop am 10. Dezember ein notwendiger zweiter Schritt der Verdichtung, damit das was an Ideen gesammelt wird auch einfließt in einen Entscheidungsprozess zum Haus der Studierenden. Durch diese verschiedenen Beteiligungsmöglichkeiten gibt es eine breite Legitimation für den Beteiligungsprozess, da auch die Ihre Ideen einbringen können, die sonst nicht zu Wort kommen. Durch solche Formen der Partizipation wird die repräsentative Demokratie belebt und können komplexere Entscheidungen zustande kommen."


S: Du selbst hast an der BOKU Landschaftsökologie und dann Landschaftsplanung studiert.

Visionen vom Haus der Studierenden im Türkenwirtgebäude haben schon viele LAP-Studierende in ihre Diplomarbeiten einfließen lassen. Wie hast du das TÜWI-Gebäude in Erinnerung und wie siehst du dich persönlich in diesem Prozess?


W: „Der Tüwi war für mich ein sehr wichtiger Grund an der BOKU zu studieren, weil mich diese Kultur des Alltags von Studierenden sehr angezogen hat. Einfach Räume zu sehen und auch nutzen zu können, in denen es möglich ist einander zu begegnen, auch über ideologische und andere Unterschiede hinweg. Aber auch Dinge zu machen, Dinge auszuprobieren, sich zu engagieren, sowie kulturell etwas zu erleben oder mitzugestalten.


Einfach ein offener Raum für studentische Kultur im besten Sinne des Wortes, politische Kultur aber auch Alltagskultur.


Ich denke dieser Raum ist eine unglaubliche Qualität der BOKU, ich kenne da nichts vergleichbares. Sowohl von der Lage des Objekts, von der Qualität der TrägerInnenschaft her, von der Vielfältigkeit ist das schon etwas, das viel Behutsamkeit und Aufmerksamkeit braucht aus der Sicht der Unileitung, wenn es darum geht das zu entwickeln.


Für mich bringt dieser Prozess eine interessante Mischung aus persönlicher und professioneller Neugier mit sich."


S: In welcher Rolle siehst du dich am 10. Dezember?


W: „Die Rolle die ich da jetzt hab' sehe ich momentan als eine Art anwaltschaftliche für die Studierenden, da ich euch als Gruppe dabei unterstütze zu einer Position zu finden, die ihr dann gemeinsam auch gut vertreten könnt.

Anders wäre es wenn ich euch auf der Ebene zwischen Studierenden und Unileitung vertreten würde.


Gleichzeitig ist es natürlich so, dass es unter den Studierenden unterschiedliche Ideologien, unterschiedliche Nähen oder emotionale Bindungen an den Tüwi gibt.


Ich sehe mich da schon in der Rolle allen diesen Befindlichkeiten Raum zu geben und durch die Gestaltung dieses workshops am 10. Dezember zu bewirken, dass es eine gemeinsame Position gibt. Dadurch steigt auch die Chance einer echten Beeinflussung dieses Prozesses. Es ist ja nichts leichter als Studierende zu spalten aus einer mächtigen Position heraus."


S: Welchen Rat aus deiner langjährigen Erfahrung kannst du uns zum Abschluss mitgeben?

W: "Allgemein gilt, dass ein möglichst frühes Einklinken dieser Ideen der Studierenden wichtig ist, da es schon für die inhaltliche Gestaltung einer Wettbewerbsgrundlage die erarbeiteten Inhalte aller Beteiligten braucht. Sonst bleibt nur noch ein Mitabstimmen von Entwürfen, wo die Grundlage aber nicht beeinflusst werden konnte.


S: Vielen Dank für das Gespräch!


„Wirkliche Handlungsmacht entsteht, wo man sich auf die Realität einlässt."


– Die Realität an der BOKU ist derzeit schwer greifbar. Entwicklungspläne werden geschmiedet, Richtlinien für zukünftige Studien erstellt, Curriculae neu gestaltet und Raumkonzepte neu gezeichnet.

Wer handeln will braucht auch Theorie, aber – hier zitiere ich einen Freund – vor allem eines: Leidenschaft zur Veränderung. Bekopft und beherzt."



Zitat - Buchtipp: „Partizipation ist ein „Abenteuer"!


Die Stationen und Ergebnisse von Prozessen der BürgerInnenbeteiligung sind planbar und gleichzeitig immer wieder überraschend."


aus: Kollmann G., Leuthold M., Pfefferkorn W., Schrefel C. (2003) Partizipation. Ein Reiseführer für Grenzüberschreitungen in Wissenschaft und Planung. Profil-Verlag München-Wien.


1 Kommentar: